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Das Auge des Rennens

Befehle geben, Rennfreigabe erteilen, Zeiten auslesen: Ein Startrichter ist bei jedem sportlichen Wettkampf zugange. Beim Kitzbüheler Hahnenkamm-Rennen wird diese Rolle Ernst Pirnbacher aus dem Pillerseetal zuteil.

Erster Vorläufer am Start“: Wenn das jährliche Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel mit diesem Funkspruch freigegeben wird, dann hat sich Ernst Pirnbacher schon seit Wochen mental darauf vorbereitet. Seit 2006 ist er Teil des Organisationsstabs: Von 2007 bis 2013 war er als Starter für die Zeitnahme aktiv, danach wechselte er in die Technik und half beim Aufbau der Zeitnehmung mit. Seit 2016 fungiert er nun als Startrichter. Ohne den Pillerseetaler geht kein Training oder Rennen über die Bühne – und kein Läufer an den Start.

„Ich bin der letzte Kontakt. Mein Gesicht sehen die Rennläufer zum Schluss, bevor sie sich auf die Piste stürzen.“ Der Startrichter ist das Bindeglied zur FIS. Seine Rolle ist mit vielen Aufgaben und Pflichten verbunden – und mit ebenso vielen Eigenschaften verknüpft: Konzentration, Flexibilität, Improvisationstalent sowie Diplomatie sind dabei zentrale Elemente. „Ich bin sozusagen das Auge vom Rennen am Start, von mir kommen wesentliche und klare Anweisungen“, so Pirnbacher. Seine Stimme im Funk hat Gewicht. „Ich muss den Überblick behalten. Rund 150 Leute verlassen sich darauf, dass ich funktioniere.“


Dem Zufall sei Dank

Geebnet hat ihm diesen Weg sein Vater, der damals schon Torrichter beim Hahnenkamm-Rennen war. „Ich bin damit aufgewachsen. In meiner Familie war das Rennen in Kitzbühel immer schon ein Thema“, erzählt Pirnbacher. Mit 18 Jahren hat er dann die Prüfung zum ÖSV-Kampfrichter abgelegt, mit Schwerpunkt im alpinen Bereich. Diese ist für einen Startrichter Voraussetzung. „Alles andere sind Erfahrungswerte.“ Noch im selben Jahr war Pirnbacher dann 2006 zum ersten Mal selbst als Torrichter beim Hahnenkamm-Rennen in der Gamsstadt dabei.

Dass er es schließlich bis zum Startrichter geschafft hat, sei dem Zufall zuzuschreiben. „Ein Jahr später wurde ich kurzerhand gefragt, ob ich die Rolle
als Starter übernehmen könnte. Das war für mich schon eine Überraschung“,
erinnert sich Pirnbacher zurück. Es wurde ein junger Kampfrichter gesucht, der Pillerseetaler war damals mit 19 Jahren der jüngste. Kurz sei er nervös geworden.

„Ich muss den Überblick behalten. Rund 150 Leute verlassen sich darauf, dass ich funktioniere.“

Ernst Pirnbacher stammt aus dem Pillerseetal und ist Elektrotechniker bei der Tinetz. Der 37-Jährige ist zudem Feuerwehrkommandant in seiner eimatgemeinde und seit 2016 erweitertes Vorstandsmitglied sowie Funktionär beim KSC. Im Weltcupzirkus ist er nicht vertreten, nur beim Hahnenkamm-Rennen. Wenn es die Zeit erlaubt, unterstützt er den KSC aushilfsmäßig auch bei anderen Rennen, so war er unter anderem Startrichter beim Para-Weltcup und Europacup.

„Die Latte beim Hahnenkamm-Rennen liegt hoch, immerhin zählt es zu den wichtigsten Rennen im Weltcupkalender. Da möchte man entsprechend performen.“ So durfte er 2007 bei allen Disziplinen – Super-G, Abfahrt und Slalom – die Läufer starten. Und seine Karriere als Startrichter in Kitzbühel nahm seinen Lauf.

Alles auf Position

Zwischen Start und Ziel sorgen am Berg verteilt verschiedene Posten für einen reibungslosen Rennablauf: vom Zielrichter über das Rutschkommando und Bodenmarkierungsteam bis hin zum Sicherheitspersonal. Zudem befinden sich entlang der Strecke verschiedene Juryposten, die an kritischen Stellen das Rennen im Auge behalten, über einen Stangenbruch informieren oder Läufer gefahrenlos
abwinken können. Rund 150 Leute sind dabei per Funk miteinander verbunden.

Der gesamte Ablauf an den Trainings- wie Renntagen ist strikt getaktet. Die Freigaben und Absprachen im gesamten Team laufen dabei über Pirnbacher. Die Verantwortung obliegt zwar dem Renndirektor Markus Waldner, doch der Startrichter ist bei Speed-Rennen eine wichtige Funktion. „Meine Aufgabe während des Rennens ist es, stets auf der Lauer zu sein und schnell zu reagieren, sodass keine Gefahr für die Athleten besteht.“ Das Zusammenspiel auf der Strecke muss demnach entsprechend funktionieren.

Die Kunst der Routine

Pirnbacher stehen für die Überwachung zwei Funkfrequenzen und In-Ear-Kopfhörer zur Verfügung. „Ich habe den Arbeitsfunk im einen Ohr und den Juryfunk im anderen.“ Fokussieren müsse er sich auf beide. Die Kunst für ihn besteht darin, wichtige Meldungen herauszufiltern und die unwichtigen schnell wieder auszublenden. Eine Übungssache.

„Mittlerweile habe ich meine persönliche Methode entwickelt. Jedes Jahr kommt der gleiche Funk ins gleiche Ohr: Rechts sitzt der Jury- und links der Arbeitsfunk“, schildert Pirnbacher. „Sobald ich das Wort Start höre, schrillen bei mir die Alarmglocken.“

Funksprüche:

„Start-Stopp“: Das Rennen wird unterbrochen.

„Piste frei. Start frei.“: Die Meldung vom Renndirektor nach einer Unterbrechung, sobald die Piste wieder frei ist und das Rennen weitergehen kann.

„Nummer 15 gestartet, vier Minuten TV-Break“: Nach den ersten 15 Rennläufern findet eine kurze Werbepause statt.

„Vorläufer am Start“: Die Bestätigung für den Renndirektor, dass das Starthaus bereit ist.

„Fortlaufende Nummer gestartet“: Erfolgt nach jedem gestarteten Läufer.

„Fortlaufende Nummer am Start, Start-Stopp“: Das Rennen wird unterbrochen, der nächste Läufer befindet sich aber schon auf der Piste und muss daher mit einer gelben Flagge abgewunken werden.

Startpflöcke: Die Startpflöcke haben einen großen Stellenwert beim Skirennen, an ihnen befindet sich das Herzstück der Zeitnehmung. Das Formrohr ist aus Aluminium, eingehüllt in PVC und durch eine Unterkonstruktion höhenverstellbar. Diese Kombination ist einzigartig in Kitzbühel. Entworfen wurden die Startpflöcke seinerzeit von Franz Pfurtschentaler. Ernst Pirnbacher hat sie neu gestaltet.

Nummer 1 gestartet

Der Startbereich selbst wird in zwei Zonen unterteilt. In der Vorbereitungszone befinden sich zwei bis drei Rennläufer plus deren Betreuende und Serviceleute. „Insgesamt halten sich bis zu acht Personen in diesem Bereich auf.“ Danach passiert der Athlet das Startgate bis zum Startschranken. „Ab da sind wir nur mehr zu dritt: der Läufer selbst, der Zeitnehmer und ich.“ Dann steht ein letzter Jurycheck an, bevor es losgehen kann. „Das passiert von unten nach oben. Sobald auch im Starthaus alles passt, wird das Rennen eröffnet.“

Wenn der Läufer grünes Licht bekommt, bleibt es im Funk still. Startrichter und Zeitnehmer sind vorrangig auf Handzeichen fokussiert, um die Skirennläufer nicht in ihrer Konzentration zu stören. „Dann kommt vom Zeitnehmer das Intervall: 2 Minuten, 1 Minute, 30 Sekunden, 10 Sekunden und ab 5 Sekunden wird heruntergezählt“, informiert Pirnbacher. „Nachdem jemand gestartet ist, muss ich das mit dem Funkspruch ‚Fortlaufende Nummer gestartet‘ den anderen mitteilen.“

Start-Stopp

Anders schaut es da bei einer Unterbrechung des Rennens aus, etwa wenn ein Läufer auf der Piste gestürzt ist. „Sobald ich Start-Stopp höre, muss der Läufer oben zurückgeholt werden.“ Eine blitzschnelle Reaktion ist dann gefragt. „Ich hatte auch schon Situationen, wo es sehr kurzfristig war: Der Läufer war schon beim Starten und ich musste ihn zurückziehen.“ Wenn sich ein Athlet bereits auf der Piste befindet, wird er per gelber Flagge abgewunken. „Die Läufer sind darauf gedrillt: Sobald sie diese sehen, müssen sie ihr Rennen abbrechen.“

Wenn die Piste wieder frei ist, meldet sich Renndirektor Markus Waldner mit „Piste frei. Start frei.“ zu Wort und übergibt somit wieder an den Startrichter. „Ich bespreche während der Unterbrechung dann mit dem nächsten Läufer, wie lange dieser noch zur Vorbereitung braucht. Diese Entscheidungen treffe ich.“ Dann ertönt im Funk Pirnbachers Stimme: „Start frei, fortlaufende Nummer am Start, in vier Minuten.“ Und das Rennen geht in vier Minuten weiter.

„Ich bin der letzte Kontakt. Mein Gesicht sehen die Rennläufer zum Schluss, bevor sie sich auf die Piste stürzen.“

Ernst Pirnbacher

Eine Frage der Konzentration

Das Vertrauen als Startrichter hat sich Pirnbacher hart erarbeitet. „Speziell als junger Mensch und junger Funktionär war das zu Beginn sehr herausfordernd“, erinnert er sich zurück. Wenn er auch Fingerspitzengefühl beweist, spüre er auch nach all den Jahren jedes Mal aufs Neue eine gewisse Anspannung und Respekt. „Mittlerweile ist zwar eine Routine drin. Lernen lässt sich das aber nicht.“ Deshalb hat der Pillerseetaler seine persönlichen Rituale entwickelt: „Ich schaue, dass ich Stress vermeide, früh genug oben bin und zur Ruhe komme. Damit der Kopf frei ist.“

Ab 7 Uhr morgens ist er an den Renntagen im Starthaus anzutreffen. Schließlich ist er dafür verantwortlich, auch die Reservestarts vorzubereiten. Bei der Abfahrt sind es beispielsweise drei an der Zahl. Die Freigabe zur Besichtigung der Strecke läuft über ihn. „Bei der Besichtigung warten die Rennläufer, bis sie von mir das Okay bekommen.“

Am Ende des Tages

Vom Trubel im Zielgelände bekommt der Pillerseetaler nichts mit. „Ich bin im Starthaus, bis der letzte Läufer losgefahren ist. Danach bereite ich alles für den nächsten Tag vor.“ Wenn er den Berg verlässt, ist die Zuschauermenge bereits beim Feiern im Herzen der Gamsstadt. „Ich bin auch bei keinem Side Event oder in der Innenstadt anzutreffen, mein Fokus liegt klar nur auf dem Rennen selbst.“

Um sich stetig zu verbessern, verfolgt Pirnbacher die restliche Weltcup-saison mit Leidenschaft. Denn für ihn ist nach dem Rennen vor dem Rennen. „Ich blicke aber mit anderen Augen darauf, beobachte dabei vor allem auch organisatorische Dinge in ihrer Ausführung. Und natürlich schaue ich auf den Startbereich und vergleiche, ob es etwas gibt, das ich vermeiden, oder Ideen, die ich übernehmen möchte.“ Denn die Rolle als Startrichter erfüllt ihn auch heute noch mit Freude und Stolz. „Es ist für mich ein Hobby. Solange es mit Beruf und Familie vereinbar ist, bin ich weiterhin gerne ein Teil des Hahnenkamm-Rennens.“


Streckenposten:

1. Start
Startrichter Ernst Pirnbacher

2. Mausefalle
FIS Chef Race Director
HKR Pistenchef Herbert Hauser
HKR Chef Rennstreckensicherheit Tom Voithofer

3. Mausefalleboden
Jurypositionen

4. Steilhang-Ausfahrt
Jurypositionen

5. Gschöss
Gelbe Flagge

6. Alte Schneise
Jurypositionen

7. Seidlalmsprung Anfahrt
Gelbe Flagge
Seidlalmsprung Trainerturm
Verbindungstrainer 1

8. Seidlalmboden
Jurypositionen

9. Lärchenschuss Einfahrt
Jurypositionen
Lärchenschuss Trainerturm
Verbindungstrainer 1

10. Oberhausberg
Gelbe Flagg

11. Hausbergkante
Assistant Race Director Men Speed Events
Verbindungstrainer 2
Hausbergkante Trainerturm

12. Hausbergquerfahrt
HKR Rennleiter Mario Mittermayer-Weinhandl

13. Zielsprung
FIS Technischer
Delegierter

14. Ziel
HKR Zielrichter Rainer Lienher/Fritz Brunner

Fotos: Franz Huber, K.S.C.