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Eine Strecke für Legenden

Ein Sieg auf der Streif hat aus so manchem Skifahrer eine Legende gemacht. Wir haben mit vier dieser Legenden gesprochen und uns sagen lassen, wie die Streif ihr Leben und ihre Karriere geprägt hat.

Harti Weirather

Für die Ewigkeit

ist ehemaliger Skirennfahrer. In der Saison 1980/81 konnte er den Gesamt-weltcup in der Abfahrt für sich entscheiden, 1982 den Weltmeistertitel in Schladming. Im gleichen Jahr sicherte er sich den Sieg auf der Streif – in einer Rekordgeschwindigkeit, die erst zehn Jahre später überboten werden konnte. Gemeinsam mit seiner Frau Hanni hat er die Agentur WWP gegründet, die Gastgeber des KITZ-RACE-Club ist.

„Andere Abfahrten gewähren einem am Anfang ein paar Sekunden, um sich auf sie einzustellen. Auf der Streif holt dich gleich der Teufel. Man muss ab der ersten Sekunde voll dabei sein. Die Streif verursacht bei einem ein wirklich mulmiges Gefühl. Speziell denk ich da an die Steilhangausfahrt, wo man bereits mit ziemlich viel Geschwindigkeit ankommt, der ganze Hang so weghängt und mitten im Schwung noch eine kleine Welle ist. Es kostet irrsinnige Überwindung, sich darauf einzulassen. Dann muss man noch technisch gut drauf sein und gleiten muss man auch können. Ich hatte das Glück, einmal die Streif mit einem Rekord zu gewinnen. Der Rekord konnte zehn Jahre lang nicht gebrochen werden – worüber dann ständig geredet wurde. Vermutlich war dadurch mein Sieg auf der Streif nachhaltiger als mein WM-Titel.“


Stephan Eberharter

Nie so ganz mein Ding

ist ehemaliger Skirennläufer. Neben einer olympischen Bronze- und zwei Silbermedaillen konnte der dreifache Weltmeister auch eine Goldmedaille für sich sichern. 2002 und 2004 entschied er außerdem das Hahnenkamm-Rennen für sich. Bei Letzterem gelang ihm die laut Meinung vieler Experten „perfekte Streif“. Er gilt als einer der erfolgreichsten Skirennläufer Österreichs aller Zeiten.

„Wenn ich mir heute das Video von 2004 anschaue, denke ich mir: ‚Wahnsinn! Was wir damals riskiert haben.‘ Für den heute 20 Jahre älteren Familien­vater nur mehr schwer vorstellbar. Die Ironie der Geschichte ist aber eigentlich, dass ich nie Abfahrer werden wollte. Ich liebte mehr die technischen Disziplinen, vor allem den Riesentorlauf. Aber ich ließ mir die Option Abfahrt immer offen, denn ich dachte, wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Vor den Rennen, gerade vor jenen auf der Streif, hatte ich immer mit einem unguten Gefühl zu kämpfen. Nicht Angst, doch Anspannung und Respekt, denn ich wusste, wie riskant meine Sportart war. Höchste Konzentration war für mich deshalb eine Notwendigkeit. Doch sobald ich aus dem Starthaus war, gab es für mich nur noch eines: So schnell wie möglich runter! Dann war ich in meinem Element, hatte keine Zeit, über irgendetwas nachzudenken, alles lief praktisch wie in einem Film ab. Alle Passagen so zu meistern wie kurz vorher visualisiert. Vielleicht war gerade diese Heran­gehensweise der Grund, warum ich als Rennläufer schlussendlich so erfolgreich wurde. Aber wer weiß das schon. Viele Leute sprechen mich auch heute noch auf meine Abfahrten an – vor allem auf die Streif von 2004.“

Didier Cuche

Mit dem Rücken zur Wand

ist ehemaliger Skirennfahrer. Der Schweizer konnte sowohl in Super-G, Riesenslalom als auch bei der Abfahrt jahrelang Spitzenleistungen erbringen. Er gewann viermal die Gesamtwertung der Weltcupabfahrt, einmal die Super-G- und einmal die Riesenslalom-Gesamtwertung. Neben einer Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Nagano 1998 konnte er sich auch eine Bronze-, zwei Silber- und eine Goldmedaille bei Weltmeisterschaften zwischen 2007 und 2011 sichern. Die Abfahrt in Kitzbühel entschied er 1998, 2008, 2010, 2011 und 2012 für sich.

„Man kommt als Skifahrer schon mit einem grummeligen Gefühl nach Kitzbühel. Einfach weil dort schon sehr viele Stürze passiert sind. Als ich zum ersten Mal antreten durfte, war ich Zeuge eines ganz speziellen Trainings: Von den ersten fünf sind vier gestürzt und drei davon mussten mit dem Heli abtransportiert werden. Als ich mit achteinhalb Sekunden Rückstand im Ziel anlangte, fühlte ich mich wie ein Sieger. Beim Rennen zwei Tage später bin ich dann mit ‚nur‘ zweieinhalb Sekunden Rückstand 21.  geworden. Das konnte ich auch als großen Erfolg betrachten. Zwei Jahre später, beim zweiten Anlauf, konnte ich schon das Speed-Rennen für mich entscheiden. Ich fühlte mich dort von Jahr zu Jahr wohler. Da hatte ich bereits das Gefühl, dass diese Strecke das Beste aus mir herauszuholen vermag. Sie stellt einen nämlich mit dem Rücken zur Wand. Nirgendwo sonst ist die Grenze zwischen idealer Linie und einem Sturz so schmal wie am Hahnenkamm. An diesem hohen Druck und dieser Ausweglosigkeit scheitern viele. Mich aber hat es zu Höchstleistungen getrieben. Vor allem als ich älter wurde und meine Erfahrung auch mit einem neuen, reiferen und etwas lockereren Mindset einherging.“


Franz Klammer

Am Limit

ist ehemaliger Skirennläufer. Neben einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Innsbruck 1976 konnte sich der gebürtige Kärntner auch eine Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften in St. Moritz 1974 und zwei Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften (St. Moritz 1974 und Innsbruck 1976) sichern. Die Abfahrt in Kitzbühel gewann Klammer in den Jahren 1975, 1976, 1977 und 1984.

„Mit den Rennen habe ich erst mit 14 angefangen. Dann ist es aber schnell gegangen: Ich kam mit 14 in den Kärntner Kader, ein Jahr später war ich im ÖSV-Kader. Ich dachte, dass ich über einen Sieg auf der Streif gar nicht träumen dürfte. Vor allem als ich zum ersten Mal an den Start ging, dachte ich: ‚Das ist ja geisteskrank. Da fahr ich doch nicht runter.‘ Aber die Streif wurde gleich meine Lieblingsabfahrt. Ich belegte beim ersten Mal sofort den vierten Platz. Im Jahr darauf den fünften. Und dann konnte ich schon gewinnen. Das Spiel mit der Gefahr war für mich das Interessanteste. ‚Wie weit kann ich gehen? Wo ist mein Limit?‘ Das wollte ich herausfinden. Ich versuchte, die Piste auszureizen. An dieser und jener gefährlichen Stelle noch ein bisschen mehr Geschwindigkeit rauszuholen. Ich konnte es kaum erwarten, starten zu  dürfen. Je gefährlicher es war, desto besser für mich. Die Streif ist deswegen auch so besonders, weil man sie so behandeln muss: Man muss aktiv werden und darf nicht einfach auf sie warten. Dann erst wird man schneller.“

Fotos: WWP/Robert Jäger, Franz Oss, Stephan Eberharter/privat, APA picturedesk/Robert Jäger, Sébastien Anex, Kaernten Werbung/Edward Groeger